Während meiner Zeit hier
in England hat es mich das erste Mal (seit der Schule) wieder ins Theater
verschlagen.
Aber, wie ihr euch
vielleicht schon vorstellen könnt, überkam mich nicht plötzlich die Lust, auf
den Spuren Shakespeares zu wandeln. Nein, meine Gründe waren etwas fragwürdiger
profaner: Wie es das Schicksal so wollte (denn wir wissen alle, was das Universum
von Zufällen hält), spielt gerade im Moment Martin Freeman in London an den
Trafalgar Studios in London in Richard
III.
Noch nie davon gehört?
Ich auch nicht. Doch nachdem ich meine Hausaufgaben gemacht und das Stück
pflichtbewusst gelesen hab, um an meinem großen Tag nicht nur zu gaffen und
Bahnhof zu verstehen, kann ich euch eine kleine Zusammenfassung geben: Lord
Richard von Gloucester, gespielt von Martin Freeman, ist nicht gerade der
schönste Mann auf Erden (da war bestimmt einige Zeit in der Maske nötig) und
ziemlich frustriert, denn sein Bruder Edward ist König, sein anderer Bruder
George ist der nächste in der Thronfolge, und eine Frau hat er auch nicht, um
sich die Zeit zu vertreiben.
Also entscheidet er, ein
Bösewicht zu werden.
Hört sich erstmal nicht
soo gefährlich an, aber Richard ist da ziemlich konsequent: erst lässt er
seinen einen Bruder George ermorden, dann stirbt König Edward (womöglich der einzige im
Stück, der eines halbwegs natürlichen Todes stirbt), sodass zwischen Richard
und dem Thron nur Edwards Söhne stehen.
Was mit denen passiert könnt ihr euch dann wohl auch denken (falls nicht: die sterben auch).
Was mit denen passiert könnt ihr euch dann wohl auch denken (falls nicht: die sterben auch).
Es sterben noch Massen
anderer Leute, die den Thron auch nur schief ansehen, Richard wird König von
England und am Ende siegt Richmond (Wer ist Richmond? Gute Frage, auf jeden
Fall gewinnt er am Ende und endet die schreckliche Schreckensherrschaft
Richards).
Das war’s in aller Kürze.
Das Stück ist allerdings sehr spannend wenn man es denn erstmal verstanden
hat und beruht im Großen und Ganzen auf der Wahrheit.
Ich bin also mit
gemischten Gefühlen ins Theater gegangen: Vorfreude auf einen brillianten
Schauspieler und ein Ticket in der 3. Reihe auf der einen Seite, die gruselige
Vorstellung von Königen und Lords in Strumpfhosen auf der anderen.
Aber meine Ängste waren
umsonst (Gott sei Dank, das wären verstörende zwei Stunden gewesen): das
Theater war winzig und kuschlig, die Kulisse mit Telefonen und Fernsehern
deutete eher weniger auf Strumpfhosen hin. Und in der Tat erwartete mich eine eher
moderne Interpretation des Stücks Shakespeares (gelten die Siebziger noch als
Modern?). Und es war wunderbar.
Die Schauspieler (nicht
nur Martin Freeman) waren so brilliant, die Licht- und Toneffekte so genial und
die Atmosphäre so gänsehautbereitend, dass ich zwei Wochen später im gleichen
Stück saß – nur eine Reihe weiter vorne als zuvor. Und es war wieder einmalig.
Alles, was ich hier
beschreiben könnte, würde es wohl nicht im Ansatz treffen, denn ein solches
Zusammenspiel von allen Sinnen (ja, man konnte dank des exzessiven Qualmens Rauchens
sogar etwas riechen und dank des noch exzessiveren Mordens inklusive
Blutspritzens auch fühlen) kann man nicht mit Worten beschreiben – erst recht
nicht schwarz auf weiß.
Doch der Moment, der mir
fast am meisten Gänsehaut bereitet hat, kam noch bevor der erste Schauspieler
die Bühne betrat: dieser eine Moment, in dem plötzlich das ganze Theater still
wird, in dem wie auf Knopfdruck alle Gespräche verstummen und in dem man die
spannungsvolle Vorfreude fast greifen kann.
Das ist der Moment, der
das Theater so besonders macht: es ist etwas Besonderes, man weiß nie so genau,
was einen gleich erwartet, man kann nicht, wie bei einem Film den man schon mal
gesehen hat voraussagen, wie eine Szene ablaufen wird.
Die Charaktere erwachen
zum Leben.
Dieser eine Moment allein
macht das Theater zu etwas Besonderem (+ Martin Freeman).
Ich kann es nur
empfehlen.
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