Erst lässt
sie monatelang nichts von sich hören und dann ... eine Buchrezension !?
Ja, ich weiß,
das ist normalerweise nicht so mein Thema und eigentlich würde ich auch eher
die Finger davonlassen – vor Kurzem wurde mir erst wieder gesagt,
Zusammenfassungen von Serien oder Büchern seien nicht soo mein Steckenpferd.
Aber was soll ich machen, wenn ich erstmal anfange zu erzählen bin ich schnell
so aufgeregt, dass ich nicht mehr aufhören kann bis ich die ganze Geschichte
verplappert habe. Ups.
Doch in
diesem Fall ist es ein wenig anders – trotzdem sage ich es lieber vorher:
Achtung Spoiler! Ihr wurdet gewarnt.
Ich habe vor
einigen Jahren zusammen mit Freundinnen in einem Mannheimer Kino die
Aufzeichnung der Theateradaption von Mary Shelleys Frankenstein gesehen, geschrieben von Nick Dear. Wer mich kennt und
den Trailer gesehen hat, kann sich denken, warum ...
Doch im
Nachhinein muss ich sagen, dass von dem Stück mehr hängengeblieben ist als nur
ein unterhaltsamer prä-Abend. So viel mehr sogar, dass ich mir das Stück ein
zweites Mal in Mannheim angesehen habe (dazu später mehr) und mir die
Printausgabe gekauft habe.
Es ist ein
Stück über das Wesen der Menschen, das Gute wie das Böse, ein Stück über Liebe
und die Frage, wer und was (unsere) Liebe verdient, ein Stück, das sich mit der
nature versus nurture-Debatte und der
Erbsünde auseinandersetzt. Ein Stück, das uns am Ende fragen lässt: Wer ist
hier eigentlich das Monster?
Aber
vielleicht sollte ich erstmal mit einer kleinen Zusammenfassung anfangen, gespickt mit einigen Zitaten aus dem Buch* selbst (ich
geb’ mir auch Mühe dabei):
Zu Beginn
erleben wir als Zuschauer die Geburt der Kreatur in Ingolstadt. Ganz alleine
und in kindlicher Unschuld macht sie wortwörtlich ihre ersten Schritte in der
Welt. He’s Adam in the Garden of Eden –
an innocent. Versucht, Kontakt mit den Menschen aufzunehmen, wird als
Antwort jedoch beschimpft und verjagt. They
throw stones at him, and he turns and runs.
Dann lernt
die Kreatur den blinden de Lacey kennen, der ihm gegenüber erstmals Güte und
Freundlichkeit zeigt. Nach dem ersten, grausamen Einfluss der Menschheit (die
ersten Worte, die die Kreatur lernt, sind piss
off und bugger off) bringt de
Lacey ihm etwas über das Paradies bei, lehrt ihm Sprechen und Schreiben.
De Lacey will
der Kreatur seinem Sohn und dessen Frau vorstellen, beschreibt sie als gute
Menschen, die die Kreatur akzeptieren werden. Doch stattdessen bezeichnen sie
ihn nach dem ersten Anblick als devil,
die Frau verlangt sogar von ihrem Mann: Thrash
it! Kill it!
Die Kreatur
läuft davon und reagiert so, wie er es in den Geschichtsbüchern gelernt hat: What do they do when they feel like this?
Heroes, Romans – what do they do? I know. They plot. They revenge. I sweep to
my revenge!
Als nächstes
macht sich die Kreatur auf den Weg nach Genf, um seinem Schöpfer
entgegenzutreten. Er will wissen, warum Victor Frankenstein ihn alleine
gelassen hat, warum er alleine ist. Er wünscht sich eine Gefährtin, die ihn
nicht im Stich lässt, wie die Menschen es getan haben. Obwohl die Kreatur
Victors Bruder getötet hat, stimmt dieser zu und lässt seine Verlobte in Genf,
um in Schottland eine weibliche Kreatur zu erschaffen, getrieben von seiner
Hybris und wissenschaftlicher Besessenheit.
Doch nach
Fertigstellung der weiblichen Kreatur überkommen Victor Zweifel, ob es wirklich
eine gute Idee ist, ein zweites Wesen dieser Art zu erschaffen, sodass er seine
zweite Schöpfung vor den Augen der Kreatur zerstört.
Wutentbrannt
rächt sich die Kreatur, indem er die Verlobte Victors ermordet. Frankenstein beginnt
daraufhin eine Jagd auf seine Schöpfung, um diese auszulöschen.
Das Stück
endet mit der Kreatur und seinem Schöpfer, vereint.
Don’t leave me. Don’t leave me alone. You and I, we
are one. While you live, I live. When you are gone, I must go too. All I wanted
was your love.
Vielleicht
merkt man an dieser doch etwas lang geratenen Zusammenfassung schon, dass mir
das Stück einiges bedeutet, aber ich will noch etwas mehr schreiben, über Liebe
und nature versus nurture.
Die Kreatur ist
zu Beginn des Stücks gut, unschuldig. Das erste, was der Leser erfährt, über
die Kreatur und über die Handlung selbst, ist There’s the sound of a heartbeat. Nachdem de Lacey ihm von der Erbsünde erzählt,
antwortet die Kreatur: Me not do bad
things. Durch ständiges Lesen und Lernen wird die Kreatur nachdenklich,
traurig, und einsam. Ideas batter me like
hailstones. Questions but no answers. Who am I? Where am I from? Do I have a
family?
Als er Victor konfrontiert, verlangt die Kreatur eine Erklärung, will
wissen, warum sein Schöpfer ihn im Stich gelassen und die Menschheit ihn
misshandelt hat. I [...] remember being
hunted like a rat [...]. I [...] remember being beaten and whipped. And I was
good, I wanted to be good! [...] If I’m
a murderer, you made me one.
Gleichzeitig vertraut die Kreatur Frankenstein seinen Wunsch nach
einer Gefährtin an, seinen Wunsch, von einem anderen Geschöpf akzeptiert zu
werden, um glücklich zu sein. Um wieder gut zu sein. I will walk in the Garden with my fair angelic Eve! I will be Adam, she
will be Eve! And all the memory of hell will melt like snow.
Doch nach dem letzten Verrat durch Frankenstein, nach der Zerstörung
seiner Braut, ist all das verloren. My
heart is black. It stinks. My mind, once filled with dreams of beauty, is a
furnace of revenge! Three years ago, when I was born, I laughed for joy at the
heat of the sun, I cried at the call oft he birds – the world was a cornucopia
to me! Now it is a waste of frost and snow.
Für mich war es faszinierend zu sehen und zu lesen, dass die Kreatur,
das scheinbare Monster des Stücks, zu Beginn seiner Geschichte voll Liebe ist,
während der Mensch, der Schöpfer Frankenstein vollkommen gefühlskalt scheint.
Nur eine kurze Zeit nach dem Tod seines jüngeren Bruders will Frankenstein die
Kreatur mit dem Mord konfrontieren, vergisst aber die Gräueltat augenblicklich,
um seine Schöpfung zu bewundern. My God –
muscular coordination – hand and eye – excellent tissue – perfect balance! Während
die Kreatur Frankenstein anfleht, ihm eine Gefährtin zu geben, die er verehren
und lieben kann, weiß Victor noch nicht einmal, wie sich Liebe anfühlt.
V: How does it feel, to be in love?
C: It feels like all the life is bubbling up
in me and spilling from my mouth, it feels like my lungs are on fire and my
heart is a hammer, it feels like I can do anything in the world!
V: Is
that how it feels?
C:
Yes! That is how it feels.
Diese Gegenüberstellung der beiden Protagonisten, die Frage, wer von
beiden nun das eigentliche Monster ist, wird schlussendlich unterstrichen, als
Frankensteins Vater sich gegen Ende des Stückes, als Victor versessen darauf
ist, seine tote Verlobte wieder zum Leben zu erwecken, fragt: What have I brought into the world? [...]
Take him away. I can’t look at him. He’s monstrous!
Das führt mich auch zu der Erklärung, warum ich mir das Stück ein
zweites Mal angeschaut habe. Außer natürlich, weil es nicht nur inhaltlich,
sondern auch aufgrund der theatralischen Umsetzung wunderbar ist. Die
Darsteller der Kreatur und des Frankensteins haben jeweils beide Rollen gelernt
und alternierend aufgeführt, so steckte in jeder Kreatur ein wenig Frankenstein
und in jedem Schöpfer ein wenig Schöpfung.
Ich glaube, hier ist ein guter Schlusspunkt. Auch wenn es in diesen
vier Word-Seiten, die ich gerade voll bekommen habe, wohl deutlich geworden ist, nochmal meine wärmste Empfehlung:
lest das Stück oder, noch besser, schaut es euch an, wenn es mal wieder in
einem Kino eurer Wahl gezeigt wird.
Ihr werdet mit Sicherheit nicht nur gut unterhalten. Ich spreche nur
für mich persönlich, aber besonders das traurige Urteil der Kreatur über die
Menschheit hat bis heute einen bleibenden Eindruck hinterlassen:
I have watched, and
listened, and learnt. At first I knew nothing at all. But I studied the ways of
men, and slowly I learnt: how to ruin, how to hate, how to debase, how to
humiliate. And at the feet of my master, I learnt the highest of human skills,
the skill no other creature owns: I finally learnt how to lie.
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* Nick Dear: Frankenstein. Based on the Novel by Mary Shelley. Faber and Faber, London. ISBN 978-0-571-27721-6
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