Sonntag, 24. April 2016

Was macht eigentlich ein Dolmetscher?

Diese Frage wurde mir nun seit Beginn meines Masterstudiums schon so oft gestellt, dass ich sie hier gerne ein für alle mal beantworten möchte.

1. Ein Dolmetscher ist kein Übersetzer.
Übersetzen und Dolmetschen sind miteinander verwandte Tätigkeiten, das stimmt schon. Deshalb studieren viele Menschen -wie ich- erst Übersetzen und danach Dolmetschen. Doch miteinander gleichsetzen darf man die beiden nicht. Und bitte erst recht nicht in Gegenwart eines Übersetzers/Dolmetschers.
Grundsätzlich gilt: ein Übersetzer kann seine Werke im Nachhinein immer wieder verbessern, ein Dolmetscher nicht. Das heißt im Normalfall, dass ein Übersetzer, mit Laptop und Wörterbuch bewaffnet, schriftlich verfasste Texte aus einer Sprache in eine andere Sprache überträgt. Das können nun alle möglichen Texte sein: Bedienungsanleitungen, Artikel aus Reiseführern, Verträge, Bücher, Gedichte.
Übersetzer sind aber zum Beispiel auch verantwortlich für das Schreiben von Untertiteln.
Bei all diesen Texten kann ein Übersetzer seine Übersetzung schreiben, korrigieren, lesen, verändern.
Dolmetscher, auf der anderen Seite, haben einen Versuch: sie arbeiten mit gesprochener Sprache.
Sie hören sich eine Rede in einer Sprache an und verdolmetschen diese dann in eine andere Sprache.

2. Es gibt mehrere Arten von Dolmetschen.
Dolmetschen ist nicht nur das, was man in großen Fernsehsendungen wie Wetten, dass... eventuell schonmal gehört hat.
Beim Simultandolmetschen hört der Dolmetscher einen Redebeitrag, im Idealfall über Kopfhörer, und überträgt ihn fast gleichzeitig mit einer im Idealfall kurzen Décalage (= einer Verzögerung von ein paar Sekunden) in eine andere Sprache.
Dieser Verdolmetschung können die "Bedürftigen" dann wiederum über Kopfhörer im Moment des Geschehens zuhören. Große Denkpausen und Blackouts sind hierbei eher suboptimal.
Konsekutiv werden oftmals kleinere Redebeiträge oder Tischreden bei Anlässen ohne großartige Technik gedolmetscht. Hierbei hört der Dolmetscher wieder eine Rede und notiert sie in der sogenannten Notizentechnik mit, sodass er nach einigen Minuten, wenn der Redner fertig ist, die komplette Rede am Stück in einer anderen Sprache wiedergeben kann.
Hierbei sind lange Überlegungen, wie man erwas denn notieren soll, oder Mitschreiben in Krakelschrift hinderlich, da sie für unangenehme Kunstpausen mitten im Dolmetschen sorgen.
Diese beiden Arten sind die wohl gebräuchlichsten des Dolmetschens, wobei es noch andere Arten wie Flüsterdolmetschen oder Community Interpreting gibt.

3. Ja, Simultandolmetschen ist anstrengend.
In so einer Dolmetschkabine mag es ganz ruhig aussehen, aber im Kopf eines Dolmetschers geht es dafür umso turbulenter zu: mit einem Ohr hört er sich an, was er zu verdolmetschen hat, dann versteht und überträgt er den Inhalt im Geiste und gibt ihn in der Zielsprache wieder. Was er da wiedergibt, hört er sich mit dem anderen Ohr an, damit kein Gemurks beim Zuhörer ankommt. Währenddessen hört er die ganze Zeit weiter zu, damit ihm nichts entgeht.
Dazu kommen Tempo und Aussprache des Redners, Fachbegriffe, mit denen mann so nicht gerechnet hat und die man eh noch nie vorher gehört hat und - Gott bewahre - Zitate, Redewendungen und Wortspiele. Am besten eine Stelle aus dem Alten Testament.


4. Konsekutivdolmetschen ist nicht nur Mitschreiben.
Erinnert euch kurz daran wie es war, in der Schule irgendwelche Merksätze etc. mitschreiben zu wollen, die ein Lehrer diktiert hat und diese Frage beantwortet sich quasi von allein.
Mitschreiben können daher beim Notieren nur sehr wenige - ich kann es nicht. Doch nicht verzagen, es gibt eine Menge lustiger Bildchen und Symbole, die Dolmetschstudenten lernen oder sich ausdenken, um in fast jeder Rede mitzukommen.


5. Nein, ich kann nicht kurz sagen, was "beliebiges Wort in beliebiger Sprache" auf Deutsch/Englisch/Französisch heißt.
Kontext ist eine wunderbare Sache.
Nur er kann mir verraten, ob ich eine Birne essen oder in die Lampe drehen soll oder ob ich meinen blauen Freund aus der nächsten Bar abholen oder ihn in die Dusche stellen soll.
Deshalb ist es eine der unbeliebtesten Bitten, die kein Übersetzer/Dolmetscher je wieder hören mag, ein einsames Wort in irgendwelche Sprachen zu übersetzen.

6. Es gibt auch noch andere Arbeitgeber als die EU.
Ja, die EU ist wohl der größte und bekannteste Arbeitgeber für Dolmetscher, allerdings ist sie lange nicht der einzige: da wären noch die ganzen Bundesministerien, das Auswärtige Amt oder viele große Unternehmen. Wenn man groß träumen möchte gibt es da noch die Vereinten Nationen oder das Fernsehen. 

Ich hoffe, ich konnte einen kleinen Überblick über mein Studienfach geben.
Wer ganz wild darauf ist, das alles live und in Farbe zu erleben ist herzlich eingeladen, morgen um 16.15 Uhr zur ersten Montagskonferenz des Instituts für Übersetzen und Dolmetschen in die Plöck 57a nach Heidelberg zu kommen.
Hier werden die Dolmetschstudenten des 2. Semesters (= meine Kommilitonen und ich) einen Vortrag zum Thema "Armut in Deutschland - die Arbeit der Tafel e.V." verdolmetschen und zeigen, was in uns steckt.
eure Laura

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